Was versteht man unter Selbstverwirklichung?
Was will ich vom Leben? Wer bin ich? Was will ich noch erreichen? Was erfüllt mich? Was ist meine Berufung?
Die Bedürfnispyramide nach Maslow
Heutzutage haben wir in der westlichen Welt den Luxus auf der Bedürfnispyramide sehr weit nach oben geklettert zu sein. Unsere physiologischen Ansprüche und Sicherheitsbedürfnisse sind durch staatliche Absicherung (wie z.B. Arbeitslosengeld) zurückgegangen. Es gibt zwar auch hierzulande Menschen, die zur Tafel gehen müssen oder die kein Dach über dem Kopf haben, doch im Normalfall sind die Stufen 1 und 2 durch die Rahmenbedingungen, in die wir geboren wurden, bereits abgesichert. In der heutigen Arbeitswelt sind daher soziale Bedürfnisse, Wertschätzung und Selbstverwirklichung in den Vordergrund gerutscht. Als Arbeitnehmer möchten wir daher gern eigenverantwortlich arbeiten und dafür Lob und Anerkennung erhalten.
Wenn du also auf dieser Seite bist und darüber nachdenkst, was du mit deinem Leben anfangen willst oder was deine Berufung ist, ist das ein Anzeichen dafür, dass schon sehr viele Bedürfnisse in deinem Leben erfüllt sind.
Das wiederum bedeutet dann erstmal: Kurze Pause einlegen und dankbar sein!
Stufe 4 – Wertschätzung und Anerkennung
In meiner letzten Tätigkeit habe ich sehr viel Energie in Stufe 4 verloren. Ich durfte eigenverantwortlich arbeiten und im Team haben wir Großartiges geleistet. Leider blieb die Anerkennung und die Wertschätzung aus. Aus diesem und weiteren Gründen habe ich mich dann irgendwann dazu entschieden ein Sabbatical zu nehmen, um mich den Fragen der Stufe 5 zu widmen. Schon mit der Entscheidung sich Zeit für sich selbst zu nehmen, waren die Bedürfnisse nach Wertschätzung nicht mehr so ausgeprägt.
Ich bin aber auch der Meinung, dass uns Stufe 4 hilft heraus zu finden was wir gut können (durch den Blick der anderen – von Außen) und wo unsere Stärken liegen. Wenn uns aber andere Menschen nicht sagen, was sie toll an uns finden, müssen wir selbst einen Schritt zurück treten und schauen was wir erreicht haben und wie wir es gemacht haben und was uns dabei gut getan hat und was uns nicht gut getan hat.
Wir können also auch lernen uns selbst Wertschätzung und Anerkennung zu geben, wenn sie von Außen fehlt. Das ist sogar essentiell! Viele Menschen lassen sich ausbeuten, da sie ihren eigenen Wert nicht erkennen. Umso mehr wir unsere eigene Arbeit schätzen, desto eher werden auch andere das tun!
Aufgrund der fehlenden Wertschätzung in meinem Job begann ich irgendwann die Motive hinter meiner Arbeit zu hinterfragen. So habe ich mich gefragt warum ich so abhängig von der Anerkennung anderer bin. Meiner Meinung nach sind wir von der Anerkennung anderer abhängig, wenn wir:
- Unseren eigenen Wert nicht kennen und uns nur durch das Lob und gutes Zusprechen von Außen gut fühlen können.
- Wenn wir etwas nicht der Sache wegen tun, also absichtslos zum Selbstzweck, sondern um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder weil wir etwas erwarten. Bei mir war es u.a. das Ziel nach Anerkennung, um die Karriereleiter hoch zu klettern und mehr Verantwortung zu bekommen. Ich dachte, wenn ich mich anstrenge, werde ich das erreichen. Irgendwie meine ich auch immer „mehr“ erreichen zu müssen. Warum habe ich mich nie gefragt.
Stufe 5 – Selbstverwirklichung
Ich habe dann aber gemerkt, dass ich diesen Weg nicht mehr gehen will – zumindest nicht so wie ich ihn gegangen bin. Man kann zwar Wertschätzung erwarten, aber das heißt noch lange nicht, dass man sie auch bekommt. Somit bin ich dann automatisch in Stufe 5 gelandet. Wenn ich etwas tue, bei dem ich meine Persönlichkeit entfalten kann, ist es mir auch egal, was andere davon halten. Denn ich mache dann etwas, das sich schon beim Tun gut anfühlt bzw. wo ich etwas für mich lerne. Die Anerkennung von Außen wird so irrelevant bzw. ist nicht mehr essentiell.
Klar ist natürlich auch, dass Stufe 5 nur ein Ziel sein kann, wenn die anderen Bedürfnisse gestillt sind. Wenn das Sicherheitsbedürfnis (z.B. in Form von Geld) nicht befriedigt ist, wird es schwierig Stufe 5 zu erreichen. Es gibt sicher auch Menschen, die mutiger sind und den Schritt der Selbstverwirklichung schon eher gehen. Ich persönlich war aber am Anfang meiner Arbeit definitiv erstmal damit beschäftigt Stufe 2 zu befriedigen. Ich hatte immer Angst, mich auf dem Arbeitsmarkt nicht durchsetzen zu können.
In meiner Freizeit bin ich natürlich schon Tätigkeiten nachgegangen, die man Stufe 5 zuordnen kann. Ohne dass ich es musste, bin ich dann eben in die Berge zum Wandern oder Snowboarden gefahren.
Zeit für mich und Selbstfindung
Im Sabbatical wollte ich mich also selbst finden.
Also erstmal: Man findet sich nicht mal eben selbst in einem halben Jahr. Eventuell wissen wir am Ende des Lebens wer wir sind, aber was für uns alle erstmal klar sein muss: Wir sind nicht irgendetwas Festes oder Bestimmtes! Die Plastizität des Gehirns zeigt, dass nichts was wir sind, in Stein gemeißelt ist.
Wir können uns prinzipiell jeden Tag neu definieren, wenn wir das möchten!
Viele wollen das natürlich nicht, weil das auch durchaus anstrengend ist. Man muss seine Komfortzone verlassen und Neues ausprobieren. Nur so können alte Glaubenssätze überschrieben werden. Umso unterschiedlicher der Input für unser Gehirn ist, desto variabler ist auch unsere Persönlichkeit. Das ist zumindest etwas, das ich für mich herausgefunden habe.
Seit ich arbeite, habe ich unterschiedliche Menschen, Lebensstile und Antworten auf die Frage des Sinn des Lebens gefunden. Ich war schon immer offen und habe so festgestellt, dass die bisherigen Überzeugungen nicht die absolute Wahrheit sind. Überzeugungen und die subjektive Wahrheit/ Wahrnehmung der Welt sind veränderbar. Und ich meine wirklich JEDE Überzeugung. Es gibt nichts, das man nicht ändern kann, wenn man es will! Und natürlich gibt es unterschiedliche Themen und bei dem einen fällt es uns leichter als bei dem anderen, doch im Endeffekt ist es immer unser Wille, ob wir etwas verändern oder nicht.
Doch nun zurück zum Sabbatical…
Ich wollte einen Schritt zurück treten und mein aktuelles Leben reflektieren:
- Bin ich da wo ich sein will?
- Als was und bei wem möchte ich arbeiten?
- Was ist mir in Bezug auf meine Work-Life-Balance wichtig?
- Arbeite ich gerade stärkenorientiert oder arbeite ich nur, um Geld zu verdienen?
Ich war so stark in meiner Arbeit involviert, dass ich manches durchaus negativer wahrgenommen habe als es dann im Sabbatical mit einem gewissen Abstand aussah. So konnte ich in meiner Auszeit feststellen, dass die Aufgaben, die ich ausgeführt habe, meinen Stärken entsprochen haben. Ich war fast täglich im Flow und die Zeit verging wie im Flug. Das ist ein gutes Zeichen. Im Flow zu sein heißt ja, dass man herausgefordert wird (also nicht unterfordert oder gelangweilt ist), aber eben auch nicht überfordert ist. Das ist ein Idealzustand, den wir durchaus erstreben sollten.
Ich habe also durchaus Tätigkeiten ausgeführt, in denen ich einen Teil von mir selbst verwirklichen konnte. Sonst hätte sich alles wesentlich unangenehmer angefühlt 🙂 Allerdings möchte ein anderer Teil von mir meine persönlichen Stärken für etwas Positives in der Welt einsetzen – sei es für den Menschen oder die Natur. Natürlich möchte ich auch selbst gut davon leben können und meine Freizeit soll auch nicht zu kurz kommen, doch wenn man die Probleme dieser Welt sieht, kann man nicht einfach so weiter machen wie vorher. Also weiß ich mittlerweile, dass die Tätigkeit an sich durchaus meiner selbst entsprochen hat, aber das Umfeld und der Arbeitgeber nicht mehr unbedingt zu mir passen.
Wichtig ist hier das Wort „mehr“. Es geht nicht darum, dass wir einen Job ergreifen und diesen dann ein Leben lang ausführen und uns so selbst verwirklicht haben. Wie schon oben beschrieben, verändern wir uns – mit jedem Tag, mit jedem gesprochenen Wort, jeder neuen Erfahrung verändern wir, wer wir sind.
Dazu gibt es ein wunderbares Zitat von Oscar Wilde:
Selbstverwirklichung – Wer sind wir denn nun?
Dinge, die gestern noch gepasst haben, können morgen nicht mehr passen. Wenn das der Fall ist, sollten wir handeln, damit es sich wieder stimmig anfühlt. Ich bin davon überzeugt, dass genau das Selbstverwirklichung ist. Es gibt nicht das eine Ziel, dem wir nachrennen und dann haben wir es gefunden.
Mein Sabbatical habe ich durchaus mit diesem falschen Ansatz gestartet. Ich dachte, ich nehme mir Zeit, reflektiere, finde meine Berufung, und komme ins Tun. So war es dann wohl nicht. Vieles habe ich ausprobiert und Einiges wieder sein lassen. Wichtig ist, dass der Prozess gestartet ist. Ich reflektiere nun jede meiner Handlungen und frage mich warum ich diese ausführe.
Genauso habe ich gelernt, Druck aus meinem Leben zu nehmen und einfach wieder dem Fluss des Lebens zu vertrauen. Mein bisheriger Weg war ja nicht falsch. So habe ich mich für einen Job entschieden, der mein Sicherheitsbedürfnis erfüllt hat. Da, wo ich jetzt bin, ist es gut, und nun gehe ich den Weg einfach weiter – mit neuen Bedürfnissen im Gepäck, die ich nun wieder befriedigen werde.
Wichtig hierbei ist, dass wir in uns rein hören und nicht fremdbestimmt umher rennen. Selbstverwirklichung ist für mich auch, bewusst zu handeln, also uns bewusst für oder gegen etwas zu entscheiden statt einfach nur ein Spielball unseres Umfelds zu sein. Dazu gehört natürlich, dass wir uns mit unserer Vergangenheit und Erfahrungen (das, was ja irgendwie unsere Persönlichkeit definiert) auseinanderzusetzen und nicht einfach losgelöst davon losrennen.
Erst im Einklang mit dem was wir erlebt haben und das was uns aktuell definiert, können wir uns auch verändern und die Zukunft im Hier und Jetzt gestalten. Dieses In-sich-Reinhören und Mit-sich-im-Einklang-sein erkläre ich in einem weiteren Blogartikel auf dieser Webseite.